Das Auge hört mit - doch im vorliegenden
"Hörspielkatastrophenfall" wird man von der dramatisches
Covergestaltung lediglich an der Nase herumgeführt. Die Erwartung
auf ein spannendes Hörspiel aus der Feder des Hörspiel-Altmeisters
Kurt Vethake wird schon bei den ersten Morsepiepen enttäuscht.
Auch ohne auf den Stand der Plattennadel blicken zu müssen,
weiß der erfahrene Hörspielhörer, daß sich
auf der ersten Seite außer Morsezeichen und markigen "Männer
und Technik"-Sprüchen eines altklugen Klassenstrebers
nichts mehr tun wird. Und tatsächlich, es piept den Rest der
Spielzeit.... "piep, piep, piiieeep, piep, QRA (= Der Name
meiner Station ist...), QSO (= Ich habe direkte Verbindung mit...),
QRJ (= Meine Zeichen sind schwach...)" und noch viel mehr über
das Morsealphabet, seine offiziellen Funkcodes und über Amateurfunk
- dies alles didaktisch 'wertvoll' verpackt in die Amateurfunk-Kabine
des Herrn Breuers, der mit väterlicher Strenge den kleinen
Hans in die Geheimnisse der Funker einweiht. Die Zweisamkeit
der beiden Helden in der Männerwelt der modernen Technik wird
erst durch das Auftauchen der Schwester von Hans empfindlich gestört.
Funken ist Männersache, das Mittagessen der Frauen kann schließlich
warten! "Schwester: Funken ist mächtig aufregend. Bruder:
Aber nichts für Mädchen! Schwester: Wieso, Mädchen
können auch das Morsen lernen. Bruder: Haha, das ich nicht
lache!" Doch die Schwester Dorith läßt sich nicht
so leicht abwimmeln. Immerhin gesteht ihr das Hörspiel an dieser
Stelle einen kurzen Beweis ihrer Fähigkeiten zu: Seufzend fragt
Herr Breuer das Mädchen das gesamte Morsealphabet ab, wobei
Dorith natürlich ein paar Fehler zu machen hat, die ihr Bruder
gleich lauthals
kommentieren und verbessern kann - die Rollenteilung bleibt strikt
gewahrt! Vielleicht war es ja der Anspruch dieses Hörspiels,
den jungen Hörern vergangener Zeiten das gesamte Morsealphabet
beizubringen, sogar zum
Nachlernen ist es auf der Coverrückseite verzeichnet; will man jedoch
als heutiger Hörer nicht zur Marine oder ist zufällig
ein Mitglied der austerbenden Gattung "Funker", dann piept einem
nach der ersten Seite dieser absolut unspannenden Geschichte nur noch der Kopf
- vor allem, weil sich die Geräuschatmosphäre hauptsächlich auf die Morsezeichen beschränkt. "UFB"
- in Funkerabkürzung "ganz fabelhaft"!
Die zweite Seite beinhaltet die eigentliche Story,
die Errettung der Besatzung eines französischen Dampfers vor
dem sicheren Tod an einer Fleischvergiftung dank der Aufmerksamkeit
des unermüdlichen Amateurfunkers. Herr Breuer, wie sein Freund
Henry aus Malta keiner der "Kilowatter, die im Äther
wüten", sondern ein besonnen handelnder Mann, weiß
mit einem SOS-Notruf souverän umzugehen. Während also
das Hörspiel sich mit Einschaltung der Royal Airforce in die
Rettungsaktion verzweifelt bemüht, doch noch Spannung in die
öde Geschichte zu bringen, kann man als Hörer seine Gedanken
schweifen lassen, um vielleicht eine Erklärung für dieses
Gepiepe zu finden, bevor man das Hörspiel endgültig
in die Kategorie "Hörspielkatastrophe" verstößt. Auch
wenn weder auf der Vinylscheibe noch auf dem Cover eine Angabe des
Produktionsdatums erscheint, ist es anzunehmen, daß dieses
Hörspiel schon sehr alt ist. Vielleicht ist es für unser
heutiges Kommunikationszeitalter mit Mobiltelefonen,
Satellitennavigation und Internet einfach nicht mehr vorstellbar,
daß dieses piepende Ungetüm auf dem Plattenteller Begeisterung
bei den kleinen Hörer der damaligen Zeit hervorgerufen haben
könnte. Aber weder dieses Argument noch die eigens bei der
Produktion konsultierte fachliche Berat ung können das "dramatische
Abenteuer" vor unserer Hörspielkatastrophe retten, denn
dafür ist die Geschichte einfach zu flach, die Umsetzung zu
lieblos! Höchstens noch das coole SOS-Cover und die - leider zu kurze
- Zwischenmusik
auf der Hammmond-Orgel, gespielt von Primo Angeli (so was findet
man sonst nur noch auf Perry Clifton - Hörspielen!), machen die
Scheibe kaufenswert! Und jetzt schließen wir unseren Bericht,
wie es sich bei ordentlichen Amateur-Hörspielern gehört:
"Ende der Sendung!"
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