SOS - Gefahr an Bord

 Ein dramatisches Hörspiel von Kurt Vethake

 

 

Regie: Werner Bornsted
Fachliche Beratung: Alois Niebergall DL 10
Schauspieler und Rundfunksprecher
An der Hammond-Orgel: Primo Angeli

Das Auge hört mit - doch im vorliegenden "Hörspielkatastrophenfall" wird man von der dramatisches Covergestaltung lediglich an der Nase herumgeführt. Die Erwartung auf ein spannendes Hörspiel aus der Feder des Hörspiel-Altmeisters Kurt Vethake wird schon bei den ersten Morsepiepen enttäuscht.
Auch ohne auf den Stand der Plattennadel blicken zu müssen, weiß der erfahrene Hörspielhörer, daß sich auf der ersten Seite außer Morsezeichen und markigen "Männer und Technik"-Sprüchen eines altklugen Klassenstrebers nichts mehr tun wird. Und tatsächlich, es piept den Rest der Spielzeit.... "piep, piep, piiieeep, piep, QRA (= Der Name meiner Station ist...), QSO (= Ich habe direkte Verbindung mit...), QRJ (= Meine Zeichen sind schwach...)" und noch viel mehr über das Morsealphabet, seine offiziellen Funkcodes und über Amateurfunk - dies alles didaktisch 'wertvoll' verpackt in die Amateurfunk-Kabine des Herrn Breuers, der mit väterlicher Strenge den kleinen Hans in die Geheimnisse der Funker einweiht.
Die Zweisamkeit der beiden Helden in der Männerwelt der modernen Technik wird erst durch das Auftauchen der Schwester von Hans empfindlich gestört. Funken ist Männersache, das Mittagessen der Frauen kann schließlich warten!
"Schwester: Funken ist mächtig aufregend.
Bruder: Aber nichts für Mädchen!
Schwester: Wieso, Mädchen können auch das Morsen lernen.
Bruder: Haha, das ich nicht lache!"
Doch die Schwester Dorith läßt sich nicht so leicht abwimmeln. Immerhin gesteht ihr das Hörspiel an dieser Stelle einen kurzen Beweis ihrer Fähigkeiten zu: Seufzend fragt Herr Breuer das Mädchen das gesamte Morsealphabet ab, wobei Dorith natürlich ein paar Fehler zu machen hat, die ihr Bruder gleich lauthals kommentieren und verbessern kann - die Rollenteilung bleibt strikt gewahrt!
Vielleicht war es ja der Anspruch dieses Hörspiels, den jungen Hörern vergangener Zeiten das gesamte Morsealphabet beizubringen, sogar zum Nachlernen ist es auf der Coverrückseite verzeichnet; will man jedoch als heutiger Hörer nicht zur Marine oder ist zufällig ein Mitglied der austerbenden Gattung "Funker", dann piept einem nach der ersten Seite dieser absolut unspannenden Geschichte nur noch der Kopf - vor allem, weil sich die Geräuschatmosphäre hauptsächlich auf die Morsezeichen beschränkt. "UFB" - in Funkerabkürzung "ganz fabelhaft"!

Die zweite Seite beinhaltet die eigentliche Story, die Errettung der Besatzung eines französischen Dampfers vor dem sicheren Tod an einer Fleischvergiftung dank der Aufmerksamkeit des unermüdlichen Amateurfunkers. Herr Breuer, wie sein Freund Henry aus Malta keiner der "Kilowatter, die im Äther wüten", sondern ein besonnen handelnder Mann, weiß mit einem SOS-Notruf souverän umzugehen. Während also das Hörspiel sich mit Einschaltung der Royal Airforce in die Rettungsaktion verzweifelt bemüht, doch noch Spannung in die öde Geschichte zu bringen, kann man als Hörer seine Gedanken schweifen lassen, um vielleicht eine Erklärung für dieses Gepiepe zu finden, bevor man das Hörspiel endgültig in die Kategorie "Hörspielkatastrophe" verstößt.
Auch wenn weder auf der Vinylscheibe noch auf dem Cover eine Angabe des Produktionsdatums erscheint, ist es anzunehmen, daß dieses Hörspiel schon sehr alt ist. Vielleicht ist es für unser heutiges Kommunikationszeitalter mit Mobiltelefonen, Satellitennavigation und Internet einfach nicht mehr vorstellbar, daß dieses piepende Ungetüm auf dem Plattenteller Begeisterung bei den kleinen Hörer der damaligen Zeit hervorgerufen haben könnte.
Aber weder dieses Argument noch die eigens bei der Produktion konsultierte fachliche Berat ung können das "dramatische Abenteuer" vor unserer Hörspielkatastrophe retten, denn dafür ist die Geschichte einfach zu flach, die Umsetzung zu lieblos!
Höchstens noch das coole SOS-Cover und die - leider zu kurze - Zwischenmusik auf der Hammmond-Orgel, gespielt von Primo Angeli (so was findet man sonst nur noch auf Perry Clifton - Hörspielen!), machen die Scheibe kaufenswert!
Und jetzt schließen wir unseren Bericht, wie es sich bei ordentlichen Amateur-Hörspielern gehört: "Ende der Sendung!"

Michael

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